Leadership und leistungsf�hige Unternehmen
Lynn Verdina-Henchoz
Senior Consultant
Hewitt Associates, Nyon
Die Frage ist wohl fast so alt wie die Menschheit: sind die Kompetenzen von grossen Leadern angeboren oder k�nnen sie erlernt werden? Nehmen wir als prominentes Beispiel Alexander den Grossen: wurden ihm als Sohn des Zeus die Gaben eines grossen Leaders in die Wiege gelegt? Oder verdankte er alles seiner Ausbildung, also der Entwicklung seiner k�rperlichen, geistigen und moralischen F�higkeiten unter Einfluss und Coaching seiner Mutter?
Das Gesamtergebnis der Vielzahl von Studien, die zu diesem Thema gef�hrt wurden, k�nnte man wie folgt zusammenfassen: "Der G�rtner ist genauso wichtig wie der Garten" (anders gesagt: die Person und ihr Umfeld sind zwei gleichrangige Faktoren). Gewisse Charakterz�ge finden sich bei vielen Leadern wieder. So z. B. eine offene, kontaktfreudige Pers�nlichkeit, hohe Motivationsf�higkeit, der Drang zur Einflussnahme und hohe kognitive F�higkeiten (Intelligenz); aber diese Charakterz�ge erkl�ren nur 13% bis 21% der Varianz bei der Veranlagung zum Leadership. Andererseits kann man F�hrungskompetenzen entwickeln und durch geplante Eingriffe beeinflussen. Bestimmte Unternehmen haben gelernt, beide Seiten dieses Problems zu ber�cksichtigen: sie bem�hen sich nicht nur, Personen mit nachgewiesenen F�hrungsqualit�ten einzustellen, sondern arbeiten auch l�ngerfristig an der Entwicklung firmeninterner Talente. Die erstgenannte Strategie legt ihren Schwerpunkt auf die Auswahl und Integration der neuen Leader. Bei der zweiten Strategie, die auf Entwicklung aufbaut, konzentriert man sich darauf, interne Talente zu erkennen, eine "Talente-Pipeline" aufzubauen, die Nachfolgen zu planen und die Entwicklung von F�hrungskompetenzen zu unterst�tzen. Doch an welchen Schl�sselkompetenzen erkennt man einen Leader?
Die ben�tigten Kompetenzen sind abh�ngig vom Entwicklungsstand des Unternehmens. Ein Unternehmen, das sich gerade im vollen Wachstum befindet und neue M�rkte sucht, braucht nicht die gleiche Art Leader wie eines, das sich auf sein Kerngesch�ft konzentriert und Nebenaktivit�ten verkauft. UBS-Verwaltungsratspr�sident Marcel Ospel gab daf�r ein Musterbeispiel: "Die �nderung (die Umstrukturierung der UBS) verlangt vom Management andere Kompetenzen als w�hrend der Integration (von SBV und SBG)".
Trotz grossen Interesses und zahlreicher Aussagen und Publikationen zu diesem Thema bleiben viele F�hrungsentwicklungsprogramme ineffizient. F�r diesen Mangel an Effizienz k�nnte man folgende Gr�nde nennen:
- oftmals sind die Bem�hungen episodisch statt anhaltend: man muss sich dessen bewusst sein, dass Talentf�rderung nicht immer sofort Fr�chte tr�gt, doch gewisse Unternehmen bringen nicht die n�tige Geduld auf oder haben nicht die n�tigen Ressourcen f�r eine l�ngerfristige Arbeit.
- die Bem�hungen sind oft unkoordiniert und nicht an die Unternehmensstrategie gebunden. Nur durch Koordination kann man die F�hrungskompetenzen bestimmen, die f�r ein bestimmtes Ziel erforderlich sind.
- es kommt auch vor, dass die Bem�hungen zur F�hrungsentwicklung nur punktuell sind und sich nicht auf den ganzen Entwicklungsprozess beziehen. Ein Unternehmen kann zum Beispiel gute Ausbildungsprogramme haben, aber keinen Nachfolgeplan.
- zu oft werden die Ergebnisse solcher Initiativen nicht gemessen: was sind die konkreten Ergebnisse einer Investition in die F�hrungsentwicklung?
Trotzdem investieren bestimmte Unternehmen konsequent in die Entwicklung ihrer Leader und werden f�r diese Bem�hungen durch �berdurchschnittliche Gesch�ftsergebnisse belohnt. Wie unterscheiden sich diese Unternehmen von anderen, die wom�glich vergleichbare Summen investieren, aber dadurch keine sichtbaren positiven Ergebnisse erzielen?
Seit mehreren Jahren f�hrt Hewitt Associates in Nordamerika, Asien und Europa Studien zum Thema Leadership durch und ver�ffentlicht die Ergebnisse unter dem Titel " Top Companies for Leaders ". Durch diese Studien sollen die Faktoren identifiziert werden, die es leistungsstarken Unternehmen erlauben, stets grosse Leader hervorzubringen, und die Variablen, die die Entwicklung eines Leaders innerhalb einer Firma beeinflussen. Ende 2005 ver�ffentlichte Hewitt die Ergebnisse der europaweiten Studie: �ber hundert Unternehmen in neun L�ndern haben an ihr teilgenommen und eine unabh�ngige Jury suchte die 10 Besten unter ihnen aus. Trotz der Vielfalt von Firmen und L�ndern wurden bei erfolgreichen Unternehmen bestimmte Gemeinsamkeiten festgestellt.
Diese Punkte zeigen die Allgemeing�ltigkeit von richtigen Verfahren im Leadership Development:
- CEO und Mitglieder des Verwaltungsrats sind h�chstpers�nlich und aktiv in der F�rderung von Talenten involviert.
- Das Unternehmen setzt einen besonderen Akzent auf Talentf�rderung
- Passende Programme werden ausgew�hlt und entsprechend implementiert
- Die F�hrungskr�fte sind f�r die Entwicklung ihrer Mitarbeiter verantwortlich
Zum ersten Punkt: Engagement und Handlungswille m�ssen auf den h�chsten Stufen der Unternehmenshierarchie beginnen. Die Beteiligung von CEO und Verwaltungsrat sollte �ber die blosse Nachfolgeplanung der F�hrungskr�fte und das Talent Assessment hinausgehen.
In den bestplatzierten Unternehmen unserer Studie sind 90% der F�hrungskr�fte (gegen 68% in anderen) an der Auswahl von Leadern direkt und pers�nlich beteiligt. Sie nehmen an Entwicklungsprogrammen teil (z. B. als Redner bei Ausbildungsseminaren), treffen sich mit Talenten und diskutieren mit ihnen, z. B bei organisierten Lunchs. Diese F�hrungskr�fte sponsern Entwicklungsprogramme und teilen ihnen Ressourcen zu, z. B f�r firmeninterne Management-Institute; sie funktionieren als Inspirationsquellen. Diese aktive und konkrete Unterst�tzung vonseiten der F�hrungskr�fte wird als einer der Hauptfaktoren f�r den Erfolg der F�hrungsentwicklung betrachtet.
Zweitens wird der Identifizierung und der Entwicklung von Leadern ein formeller Rahmen gegeben: "Top Companies" wenden f�r die Identifizierung von "High Potentials" verschiedene Methoden an: Nachfolgeregelung, Performance- Management- Prozesse, Evaluierung durch die Personalleitung oder durch direkte Vorgesetzte. Die Nachfolge wird gut vorbereitet.
In Unternehmen ist man sich oft dar�ber uneinig, ob man "High Potentials" klar als solche behandeln sollte oder ob man sie �ber ihren Status besser nicht eindeutig informieren sollte. Es gibt verschiedene Schulen und Meinungen: oft wollen Unternehmen ein "Crown Prince Syndrome" vermeiden, und niemandem einen Spezialstatus erteilen, weil das den Betroffenen in den Kopf steigen und die Nichtbetroffenen demotivieren k�nnte. Jedenfalls muss eine gewisse Flexibilit�t aufrechterhalten werden, falls die Auswahlkriterien nicht erf�llt werden: d. h. ein "High Potential" kann seinen Status verlieren, wenn die Leistung nicht stimmt. Im Allgemeinen sind sich die meisten Angestellten �ber ihren Status im Klaren, weil sie z. B. zu Spezialprogrammen eingeladen werden. 80% der "Top Companies" verfolgen aktiv die Fluktuation von "High Potentials", gegen 54 % anderer Unternehmen. Es geht darum, zu verstehen, warum Talente die Firma wechseln. Dies ist z. B. m�glich durch systematische Abschiedsgespr�che. Im Idealfall sollte man nach dem Fortgang des Mitarbeiters den Kontakt aufrechterhalten, um ihn eventuell zu einem anderen Zeitpunkt wieder einstellen zu k�nnen und um ein Netzwerk von "Ehemaligen" zu begr�nden.
In den besteingestuften Unternehmen ist der Lohn direkt an die Leistung gekn�pft und oftmals auch an das Aufstiegspotential des Angestellten. Der Lohn ist auch besser diversifiziert (Bonusse, Stock Options, andere Formen von Verg�tung und Anerkennung). Was die Talentf�rderung betrifft, werden mehrere Wege begangen: Eins�tze im Ausland oder in anderen Bereichen der Gruppe, spezifische Ausbildungsseminare, um Fortschritt und Kompetenzerwerb des F�hrungspersonals zu beschleunigen usw. Die Leistung dieser Mitarbeiter wird regelm�ssig evaluiert, z. B. durch "360�" (Evaluierungen durch den Mitarbeiter selbst, durch seine Kollegen und durch seine Vorgesetzten), damit die Person sich ihrer St�rken bewusst wird und Ihre Schw�chen verbessern kann.
Dritter wichtiger Punkt: die Leadership Development Strategie ist eng mit der Businessstrategie und den Zielen des Unternehmens verbunden. Es geht nicht einfach um die Anwendung von Standardprogrammen zum Thema Leadership. Die besten Unternehmen begn�gen sich nicht damit, solche Programme anzubieten, sondern passen sie an die gegebenen Anforderungen des Unternehmens an und implementieren sie effizient. Folgende Tabelle veranschaulicht die meistangewandten Entwicklungsprozesse:
Bei der Durchf�hrung dieser Pl�ne konzentrieren sich die Sieger der Wertung darauf, dass die entwickelten Prozesse �berall angewandt werden, wo sie n�tzlich sind (100% gegen 64%). Wenn das Unternehmen zum Beispiel F�hrungskompetenzen definiert und entwickelt hat, so werden diese bei der Nachfolgeplanung ber�cksicht, aber auch bei der Selektion f�r interne Posten, bei der Einstellung, beim Performance- Assessment und bei der Festsetzung der Bonusse. Die Kandidaten, die in der Nachfolgeplanung angegeben werden, bekommen dann auch tats�chlich die Posten, f�r die sie identifiziert wurden.
Die bestplatzierten Unternehmen w�hlen ihre zuk�nftigen F�hrungskr�fte vor allem aus den eigenen Reihen. Diese Strategie ist ein Motivationsfaktor f�r ambitionierte Mitarbeiter: sie wissen, dass sie auf schnelle Bef�rderung hoffen k�nnen, wenn sie gute Leistungen erbringen. Das ergibt folgende Vorteile: man kennt im Voraus die Pers�nlichkeiten und Leistungen der Personen und kann so in voller Kenntnis der Situation entscheiden. Die Mitarbeiter ihrerseits kennen das Unternehmen und seine Kultur, was das Risiko von Inkompatibilit�t verringert. Ausserdem zeigt die firmeninterne Nachfolge der F�hrungsposten, dass der Talentpool breit angelegt ist, und dass die Prozesse gut strukturiert sind und auch entsprechend funktionieren. Eine solche Strategie tr�gt zu einem motivierenden Arbeitsumfeld bei.
Unternehmen, die f�r ihre Bem�hung um Talentf�rderung bekannt sind, ziehen gute, talentierte und ambitionierte Mitarbeiter an, da diese Bewerber wissen, dass sie in einer solchen Firma eine herausfordernde Karriere finden k�nnen und ein Umfeld, das alles in Bewegung setzt, um sie zu motivieren und zu f�rdern. Dies wiederum schafft f�r das Unternehmen einen gr�sseren Talentpool als der der Konkurrenz.
Eine weitere Komponente der Leadership Development Strategien der besten Unternehmen ist Diversity (70% gegen 45%). Den Einstellungsprozess und dasTalent-Assessment integrierend f�rdert Diversity ein kreatives, dynamisches und flexibles Umfeld. Eine k�rzlich durchgef�hrte Studie �ber die Unternehmen der "Fortune 500" Skala zeigt, dass in Unternehmen mit dem h�chsten Anteil von Frauen auf F�hrungsniveau der ROE (Return On Equity) um 35% h�her ist, als in anderen!
Der vierte wichtige Punkt aus unserer Studie ist folgender: die Verantwortung f�r F�hrungsentwicklung muss hoch genug eingestuft werden. Die meisten Unternehmen denken, dass die Verantwortung f�r F�hrungsentwicklungsprogramme bei der Personalleitung liegt. Die besten aber betrachten die F�hrungsebene und das spezifische Leadership Development Team als daf�r zust�ndig.
Immer h�ufiger werden Messgr�ssen ben�tzt, um die Effizienz der F�hrungsentwicklungsprozesse einzusch�tzen: verbesserte Leistung, Anzahl von identifizierten und weiterentwickelten "High Potentials", Anzahl von Initiativen und Projekten, die aus diesen Programmen hervorkommen, oder Fluktuation der Talente. In einem solchen System sind F�hrungskr�fte zust�ndig f�r die Entwicklung und die Zielsetzung ihrer Mitarbeiter. Sie m�ssen sich auch damit abfinden, dass ihre "Sch�tzlinge" in andere Abteilungen wechseln oder in andere L�nder, um in ihrer Karriere weiterzukommen. Es ist nie leicht, einen wertvollen Mitarbeiter weggehen zu lassen, aber die Zuversicht, dass das Unternehmen dieses Talent durch ein anderes ersetzen wird, ermutigt einen dazu.
Schlussendlich messen die besten Unternehmen auch das Engagement und die Motivation der aktuellen Leader, denn sie wissen, dass diese der Grundstein der ganzen Firma sind. Motivierte Leader sind f�r gute Leistung unumg�nglich.
LEADERSHIP DEVELOPMENT UND GESCH�FTSERGEBNISSE
Die "Top Companies for Leaders" -Studie zeigt den Zusammenhang zwischen Leadership Development Politik und finanzieller Leistung des Unternehmens auf. �ber 90% der bestplatzierten Unternehmen investieren erheblich in die Talentf�rderung. Sie verf�gen �ber ausgereifte Praktiken und Prozesse, die sie konsequent anwenden. Dies sollte leistungsorientierte Unternehmen dazu ermutigen, in diesen eindeutig erfolgsversprechenden Bereich zu investieren und Leadership Development als Businessstrategie zu implementieren. Unternehmen, die diesbez�glich Vorreiterrollen spielen, wissen: durch den Erfolg angespornt werden sie noch aktiver und innovativer in der Entwicklung ihrer k�nftigen Leader.
LISTE DER SIEGER IN EUROPA:
Europe's Top Companies for Leaders 2005
- USB
- L'Oreal
- Royal Bank of Scotland
- BMW
- Vodafone
- Lufthansa
- Randstad Holding
- Degussa AG
- Voith AG
- ING
LISTE DER SIEGER IN DEN USA:
USA's Top Companies for Leaders 2005
- 3M Company
- General Electric
- Johnson & Johnson
- Dell
- Liz Claiborne
- IBM
- Procter & Gamble
- General Mills
- Medtronic
- American Express