Leistung und Ethik : nur scheinbar ein Paradox
Fr�d�ric Kohler
Trainees & Training Manager
BNP Paribas
Oftmals werden Leistung und Ethik f�lschlicherweise als unvereinbar dargestellt. Doch diese zwei Begriffe widersprechen sich nur scheinbar. In der Tat ist Ethik ein Faktor von Effizienz und pers�nlichem Komfort und hat eben dadurch Hebelwirkung f�r die Leistung eines Unternehmens.
Man kann es nicht leugnen: Leistung ist zum Leitmotiv aller Unternehmen geworden. Ob als neoliberale Bef�rworter der Marktwirtschaft oder frisch bekehrte Unterst�tzer der nachhaltigen Entwicklung: gewinnorientierte Unternehmen haben keine Wahl, sie m�ssen immer mehr Leistung erbringen. Diese erwartete Leistung kann man folgendermassen grob skizzieren: "immer mehr und immer bessere Ergebnisse mit gleich vielen bzw. weniger Mitteln erbringen". Im weltweiten Monopoly von Globalisierung und Konkurrenz geht es ums nackte �berleben. Wehe dem Verlierer.
Ob man diese Sachlage als positiv oder negativ empfindet: sie ist eine Tatsache, eine Gegebenheit des Paradigmas, in dem wir uns bewegen, auf die wir uns einstellen m�ssen.
Die �ra der Leistung.
Ob man diese Sachlage als positiv oder negativ empfindet: sie ist eine Tatsache, eine Gegebenheit des Paradigmas, in dem wir uns bewegen, auf die wir uns einstellen m�ssen.
In diesem Kontext wurden Kosten-, Ressourcen- und Kompetenzmanagement langsam aber sicher vom Leistungsmanagement verdr�ngt. Egal, ob als kurz-, mittel- oder langfristiges Ziel: Leistung wird in Tabellen mit quantitativen und qualitativen Indikatoren angegeben. Sie spiegelt wider, ob Produktionswerkzeuge optimal funktionieren oder nicht, ob ein zufriedenstellender Investitionsausgleich erzielt wird, oder ob eine Aufwertung an der B�rse zu erwarten ist.
Diese Indikatoren werden meist durch Marktanteile, Rentabilit�t und Wachstumsraten ausgedr�ckt, seltener durch Attraktivit�t, Bekanntheitsgrad oder Musterg�ltigkeit. Doch das Image eines Unternehmens ist eine greifbare Komponente seiner globalen Leistung und ein wichtiger Faktor f�r seine Aufwertung. Alles, was diese Aufwertung bremsen k�nnte, sollte vermieden werden.
Leistungshindernisse
Hindernisse, die die Leistung eines Unternehmens bremsen, k�nnen einerseits firmenextern bestehen, wie zum Beispiel die Wirtschaftslage, M�rkte, technologische Entwicklungen, Gesetzgebungen oder auch politische und soziale Ver�nderungen. Andererseits k�nnen diese Leistungshindernisse auch innerhalb der Firma liegen, wie zum Beispiel die Nutzung veralteter Arbeitsmittel, unpassende Stellenbesetzung (inkompetentes oder demotiviertes Personal), falsche oder nicht vorhandene Strategien sowie die Unf�higkeit, Entschl�sse zu treffen oder Ver�nderungen zu integrieren.
In solchen F�llen kann Ethik als ein St�rfaktor empfunden werden, der die geplante Leistungssteigerung vereitelt, denn in der allgemeinen Wahrnehmung geh�rt sie beiden Kategorien gleichermassen an.
F�r viele von uns h�ngt Ethik von dem externen Umfeld ab, von den Bereichen Kultur, Religion und Gesellschaft. Sie bestimmt allgemeine Verhaltensmuster im Unternehmen als Gegengewicht zu Prozessrationalisierung und Anwendung theoretischer Modelle, die die Anpassung an die harten Gesetze der Wirtschaft erm�glichen sollen.
Andererseits wirkt Ethik in individueller Weise auf jeden Menschen und geh�rt so zur zweiten Kategorie, zu den firmeninternen Hindernissen. Mitarbeite k�nnen sie als ein bewusstes oder unbewusstes Hemmnis f�r individuelle und gemeinsame Leistung empfinden, denn die pers�nliche Ethik des Mitarbeiters f�hrt ihn dazu, sich in Bezug auf m�gliche Optionen selbst zu beschr�nken und sich bei Entscheidungen einer Selbstzensur zu unterziehen.
Aufmerksamkeit f�r wirtschaftliche und technologische Fortschritte sowie angewandte Forschung k�nnen die Auswirkung von externen Faktoren auf die Leistung begrenzen; Management von Kompetenzen, Projekten und Customer Relations sowie Qualit�tssysteme tendieren dazu, den Einflussinterner Leistungshindernisse zu begrenzen. Wo steht in diesem Kontext die Ethik?
Ethik? H�rte ich richtig, Ethik???
Um die Frage zu beantworten, ob Ethik ein Leistungshindernis ist, muss der Begriff erst genau definiert werden, denn Ethik wird oft mit anderen Konzepten verwechselt.
Ethik ist nicht gleich Moral: Moral wird von �bersinnlichen Prinzipien definiert, die f�r den, der sich darauf beruft, unumg�nglich sind. In unseren westlichen Gesellschaften wurden diese Prinzipien von nah oder fern durch zwei Jahrtausende j�disch-christlicher Kultur sowie durch antike Philosophie und Aufkl�rung gepr�gt. Insofern steht Moral in engem Zusammenhang mit Respekt. Ethik ist zugleich mehr und weniger als das.
Ethik ist nicht gleich Berufspflicht: Berufspflicht appelliert an Gehorsam gegen�ber Gesetzen, Ordnungen und Gepflogenheiten. Berufspflicht ist eben Pflicht. Ethik ist wiederum mehr und weniger als das.
Ethik ist auch nicht gleich Tugend: traditionelle Tugenden sind z. B. Selbstlosigkeit, Vorsicht, Mut, M�ssigung und Gerechtigkeit. Jede Tugend kann mit sinnbildhaft passenden Verhaltensmustern assoziiert werden. Tugenden werden im Unternehmen oftmals als Werte abgewandelt, doch Ethik ist mehr als blosser Respekt f�r Werte.
Im wirtschaftlichen Kontext k�nnte man das Konzept wie folgt definieren: "Ethik ist die F�higkeit, in einer gewissen Lage den richtigen und effizienten Entschluss zu fassen bei gleichzeitiger R�cksichtnahme auf die Interessen der Gesch�ftspartner".
Ethik steht also im Zentrum des Dreiecks um Moral, Berufspflicht und Tugend.
Diese �berschneidung kann in gewissen Situationen als potentielle L�sung eingesetzt werden: dank der Ethik kann man Szenarien oder Simulationen der Konsequenzen von in heiklen Situationen gefassten Entscheidungen erstellen und so eine permanente, objektive Entscheidungslinie erstellen, ohne die pers�nliche Verantwortung des Entscheidungstr�gers in den Hintergrund zu r�cken.
Deshalb ist- vielleicht im Gegensatz zu Moral, Berufspflicht oder Tugend- Ethik keineswegs ein Leistungshindernis, ganz im Gegenteil.
Hebelwirkung der Ethik f�r Leistungssteigerung
Ethik ist sogar eine berufliche Schl�sselkompetenz f�r Entscheidungstr�ger. Die F�higkeit, heikle Situationen zu erkennen, Entscheidungsmechanismen zu verstehen und Managementt�tigkeiten koh�rent auszu�ben, geh�rt zu den Werkzeugen, die eine Person in F�hrungsposition bei jeder Entscheidung anwendet.
Das Identifizieren ethisch riskanter Situationen und das Vermeiden derselben durch eine klare ethische Charta oder eine Liste von Verhaltensregeln gestatten es, mit dem "ethischen Stress'" der Mitarbeiter besser umzugehen.
Ethik verleiht jeder beruflichen T�tigkeit einen Sinn, sie ist Teil des Managements durch Werte und Beispielsetzung. Ethik wird zum Hilfsmittel f�r Entscheidungen. In einer komplexen Umwelt mit zunehmend hohen Anforderungen leistet sie einen Beitrag zum moralischen Komfort der Entscheidungstr�ger. Manager versuchen oft, der gef�rchteten Subjektivit�t in Entscheidungssituationen durch Passivit�t zu entgehen. Angewandte Ethik nimmt ihnen einen Teil dieser Subjektivit�t ab.
Ethik f�rdert das autonome, selbst�ndige Handeln der Mitarbeiter, denn sie gibt ihnen Anhaltspunkte und kreiert Vertrauensverh�ltnisse: dadurch f�rdert sie individuelle Leistung. Sie ist also ein Hebel, den das Unternehmen einsetzen kann, um seine gesamte Leistung zu verbessern.
Folglich wird das Unternehmen versuchen, diese Schl�sselkompetenz zu erwerben und weiterzuentwickeln. Ethik kann einerseits als neues Auswahlkriterium bei der Einstellung eingesetzt werden, andererseits als Managementmethode in der Ausbildung des Personals.
Ethik als Auswahlkriterium bei der Einstellung!
Bei der Suche nach jungen Absolventen h�herer Schulen sollten sich Unternehmen darauf konzentrieren, die ethischen Kompetenzen ihrer Bewerber zu untersuchen. Mithilfe von Hinweisen wie Berufserfahrung, aber auch gesellschaftliche, sportliche oder kulturelle T�tigkeiten des jeweiligen Bewerbers kann der Arbeitgeber versuchen, dessen ethisches Potential einzusch�tzen, das heisst, die F�higkeit, in komplexen und sich wandelnden Umgebungen den besten Entschluss zu fassen.
Der Lebenslauf, das Bewerbungsschreiben und vor allem das Bewerbungsgespr�ch erlauben es, diese F�higkeit beim Bewerber zu erkennen. Hinausgehend �ber seine Ausbildung und seine Zukunftsvorstellungen muss der Bewerber beweisen, dass seine ethischen Vorstellungen zum Arbeitgeber passen. Man bewirbt sich also nicht in der gleichen Weise bei WWF, TCS, bei Microsoft oder bei BNP Paribas.
Von der anderen Seite gesehen kann man sich fragen, welche Kompetenz der Arbeitgeber selbst beim Auswahlverfahren einsetzen wird: Seine Intuition? Seinen Einfluss? Seine Technik? Nat�rlich nicht: es ist wiederum seine pers�nliche Ethik, die ihm die richtige Entscheidung erlauben wird.
Ethik als Herausforderung bei der Managementweiterbildung
Unternehmen begn�gen sich nicht damit, junge Absolventen mit hohem ethischen Potential einzustellen: sie bem�hen sich auch, diese F�higkeit auf allen Ebenen durch Weiterbildung zu entwickeln.
Wodurch unterscheidet sich ein Leader von einem "einfachen" Manager? Er hat einen zukunftsorientierten Blick, er kann in schwierigen Lagen Entscheidungen treffen, er hat die Gabe, um sich herum Energien sammeln und sich an verschiedenste berufliche Gegebenheiten anzupassen. Kurz gesagt, er unterscheidet sich durch eine starke pers�nliche Ethik
Leadership ist ein Faktor nachhaltiger Entwicklung f�r ein Unternehmen. Es ist also nicht erstaunlich, dass Unternehmen Management durch Leadership ersetzen wollen. Seit einigen Monaten werden Ausbildungen in "Management durch Ethik" angeboten, und sie stossen auf wachsende Zahlen von Interessenten.
So hat die Ethik innerhalb einiger Jahre ihren Status ge�ndert, ist vom Luxus ("nice to have") zur Voraussetzung ("mandatory") f�r F�hrungskr�fte von heute und morgen geworden und zu einem Faktor individueller Leistung und pers�nlichen Erfolgs.