Bin
ich für den Arbeitsmarktgerüstet? Was sind meine Fähigkeiten?
Jacques Bussy
LEE HECHT HARRISON
Der Arbeitsmarkt stellt immer höhere Anforderungen an die
Qualifikation der Mitarbeiter. Viele Erwerbstätige sehen sich
daher gezwungen, beruflich radikal neue Wege zu gehen. Allerdings
gelingt der Richtungswechsel nicht allen und oft haben sie selbst
keine klare Vorstellung, wie sie sich die neue Situation zunutze
machen können. In dieser Situation ist es von Vorteil, sich
über seine «Arbeitsmarkttauglichkeit» zuerst einmal
in Ruhe Gedanken zu machen.
Neben Zugehörigkeitsgefühl und Loyalität wird der
Aspekt der Arbeitsmarkttauglichkeit bei Vorgesetzten und Personalchefs
zunehmend wichtiger. Wenn Umstrukturierungsmassnahmen anstehen,
greift man gern auf diesen Ausdruck zurück und meint damit
eigentlich die «berufliche Eignung». Öffentlichkeit
und Sozialpartner akzeptieren anscheinend gelassen diese in der
Tat einschneidende Veränderung, die in «global»
operierenden Grossunternehmen bereits spürbar ist.
FERNAB ERPROBTER WERTE
Auch für Firmenchefs stellt dies eine radikal veränderte
Situation dar, weg von unseren traditionellen Wertvorstellungen.
An die Stelle eines so gut wie zementierten Arbeitsverhältnisses
tritt ein System wechselseitiger Verpflichtungen : Sowohl Mitarbeiter
als auch Unternehmen können den Arbeitsvertrag kündigen.
Wie kann ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin heute die nötige
Tauglichkeit für den Arbeitsmarkt sicherstellen ? Was muss
man tun, welche Vorkehrungen sind zu treffen, um im Falle einer
Entlassung alle Chancen zu nutzen und rasch eine neue Stelle zu
finden ? Es versteht sich von selbst, dass eine solide Ausbildung
und eine umfangreiche Berufserfahrung die Aussichten auf einen Wiedereinstieg
erheblich verbessern. Langjährige Erfahrung in Karriereberatung
und Outplacement zeigen, dass lebenslange Lernbereitschaft ein wesentlicher
Faktor ist und dennoch nicht immer ausreicht, um kurzfristig einen
neuen Arbeitsplatz zu finden.
ALLE OPTIONEN PRÜFEN
Eine gute Möglichkeit, sich als Arbeitnehmer auf einen Wechsel
vorzubereiten besteht darin - wie bei einem medizinischen Check-up
- in regelmässigen Abständen immer wieder zu prüfen,
was man tatsächlich kann, welche Ziele man eigentlich verfolgt,
welche anderen beruflichen Möglichkeiten sich bieten würden
und ob man dazu die nötigen Qualifikationen und/oder Erfahrungen
mitbringt. Gerade in Grossunternehmen kommt es häufig vor,
dass hochqualifizierte und erfahrene Mitarbeiter in einer beruflichen
Sackgasse landen, weil sie feststellen, dass ihr Berufsbild ausserhalb
der eigenen Firma kaum noch gefragt ist.
Es ist deshalb wichtig, die Arbeitsmarktsituation zu verfolgen und
sich bestehende Optionen vor Augen zu halten. Über die Qualifikationen
und Vorstellungen des bzw. der einzelnen hinaus ist dazu jedoch
eine externe Prüfung empfehlenswert. Erst eine objektive und
neutrale Analyse erlaubt es, fundierte Schlüsse zu ziehen.
Hat der oder die Betreffende eine klare Vorstellung von den eigenen
Fähigkeiten, geht es darum herauszufinden, ob diese der gegenwärtigen
Position und einer denkbaren Weiterentwicklung angemessen sind,
und Alternativen herauszuarbeiten, die sich innerhalb des Unternehmens
bieten. Ein Abgleich mit der Situation am Arbeitsmarkt liefert zusätzliche
Anhaltspunkte, um einen objektiven Massnahmenkatalog zu erstellen
und umzusetzen.
Alle Mitarbeiter sollten sich bewusst sein, dass sie für ihre
eigene Zukunft selbst verantwortlich sind und aktiv Vorkehrungen
treffen müssen, d. h. sie müssen ihre Karriere selbst
in die Hand nehmen. Dazu ist es sinnvoll, sich in Abständen
mit Hilfe einer gezielten Karriereberatung systematisch mit diesen
Fragen auseinander zu setzen.
EINSCHÄTZUNG DURCH DRITTE
Eine objektive Beurteilung der Sachlage kommt nicht nur dem Einzelnen,
sondern auch dem Unternehmen zugute. Den Arbeitnehmer, weil sie
eine neutrale Einschätzung ihrer Möglichkeiten und eventuellen
Lücken erhalten, auf deren Grundlage sinnvolle Entscheidungen
im Hinblick auf Fort- und We iterbildung, einen eventuellen Arbeitsplatzwechsel
oder einen Karrieresprung getroffen werden können, während
sich ihr Spielraum vergrössert. Das Unternehmen profitiert
davon, indem es ruhende Potentiale wecken und Mitarbeitende mobilisieren
kann. Aus diesem Grund entscheiden sich oft gerade die Unternehmen
über das übliche Qualifikationssystem hinaus für
eine regelmässige Situationsanalyse.